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Alt 24.05.2013, 19:58   #4 (permalink)
sierra
Experte

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Standard Zwei gelbe Charleston-Enten

Ich hatte einige VW-Käfer hinter mir, weil man die Dinger billig kaufen konnte, und ich konnte das meiste selbst reparieren. Da gab es auch immer etwas zu tun. Und außerdem hatte man dieses Porsche-Feeling.
Nun begann ich endlich, etwas Geld zu verdienen und wollte mir ein neues Auto kaufen, ein richtig fabrikneues. Ich entschloss mich für eine Charleston-Ente. Die hatte Klasse, sah total gut aus und erschien mir ökologisch korrekt, was mir damals etwas wichtig war. Der örtliche Citroën-Händler hatte die richtige da, und drei Tage später konnte ich den 2CV abholen. Das Auto wurde mir mit einem Blumenstrauß übergeben, und ich hatte endgültig die Seiten gewechselt.



An ein paar Dinge musste ich mich erst gewöhnen. Wie kriegt man die Scheibe wieder zu? Ach, einfach zuknallen lassen! Die Schaltung hatte ich sofort im Griff, sie funktioniert genial einfach und zudem schnell.
Dann kam die nächste Entdeckung: Mit der Ente war ich fast überall schneller als mit dem Vorgänger, einem mit Riechert-Zweivergaser-Anlage auf 50 PS gebrachten 1302. Etwas merkwürdig war die Seitenneigung, aber die gehörte eben dazu. Die ökologische Komponente verlor mehr und mehr an Bedeutung, und die Ente wurde kräftig gescheucht. Das änderte nichts an ihrer äußeren Erscheinung - Sie sah aus wie neu. darum mussten auch bald die schönen Chromscheinwerfer ausgetauscht werden, weil an mehreren Stellen Rost erschien. Das geschah auf Garantie, mit einem dummen Spruch: "Kann eigentlich gar nicht sein, sie sind doch aus Guss."
Die weiteste Fahrt ging in den Ferien bis Norwegen, wo sich die Leute nach dem gelben Entchen umdrehten. Dort musste auf den Schotterpisten sogar der Reservereifen benutzt werden.
Einige Wochenenden gehörten den freakigen Ententreffen, auf denen es bis zum zweiten Platz bei einer Orientierungsfahrt reichte.
Am Tag, als die Ente starb, war sie knapp zwei Jahre alt und wunderschön wie am ersten Tag. Ich war auf einer zweispurigen Fahrbahn zügig unterwegs, natürlich links. Die rechte Spur war deutlich langsamer. Als sie komplett stoppte, schien mir das nicht wichtig. Plötzlich erschien quer vor mir durch die rechte Spur ein Mercedes SL durch die rechte Reihe hindurch. Die Vollbremsung reduzierte zwar die Geschwindigkeit noch gut, aber verhinderte nicht den Einschlag auf das linke Hinterrad des Mercedes. Erstaunlich, wie solche Ereignisse immer in Zeitlupe ablaufen! Ich stieg aus, mir war nichts passiert, und warf einen Blick auf meinen 2CV. Er war mächtig zusammengebrochen und geknautscht - ein Bild des Jammers.



Der Citroën-Händler holte das Wrack ab, und nach der Untersuchung stellte sich heraus, was ich schon geahnt hatte: Meine Ente war irreparabel zerstört. Zwar hatte mich der Mercedes-Fahrer nach unserer Begegnung gelobt: "Das haben Sie aber fein hingekriegt!", aber seine Versicherung finanzierte mir eine neue Ente. Der Händler hatte eine scheinbar gleiche im Angebot.
Es war nicht die gleiche. Die Lüftungsklappe unter der Windschutzscheibe war nicht dicht zu bekommen. Um die Windschutzscheibe herum waren sofort erste Rostansätze zu erkennen. Aber Spaß hat sie trotzdem gemacht. Mit einem primitiven Rohrgestell konnte die Kofferraumhaube zu einer großen Heckklappe umgebaut werden. So konnte der 2CV für einen Umzug herhalten.
Auf der Fahrt nach Dänemark an einem Samstagvormittag gab es wieder eine besondere Erfahrung. Es begann mit Begeisterung, als der 29-PS-Flitzer von Hamburg bis kurz vor Flensburg konstant 130 km/h auf dem Tacho anzeigte. Dann gab es einen Knall, und im Rückspiegel sah ich eine größere weiße Wolke. Das kannte ich aus der Formel 1 im Fernsehen, und es bedeutete nichts Gutes. Ich nahm den Gang heraus und ließ den Wagen auf die Standspur rollen. Was tun? Als ich einen Startversuch unternahm, sprang der Motor problemlos an, nur war ein deutliches Klackern zu vernehmen. In Flensburg hatte keine Werkstatt auf, und so fuhren wir weiter bis zur Nordspitze Jütlands, aber deutlich langsamer. Die Werkstatt in Dänemark meinte, die Reparatur dort wäre zu teuer, und ich sollte einfach mal weiterfahren. Das ging auch problemlos.
Nach einem Jahr verkaufte ich dann das rostanfällige Exemplar, natürlich mit repariertem Motor.
Damit war meine Epoche mit Viertürern zu zwei Dritteln abgeschlossen. Das letzte Drittel stellte der folgende Escort Turnier dar.

Geändert von sierra (24.05.2013 um 20:03 Uhr).
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