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Alt 30.08.2011, 14:06   #1 (permalink)
Vampyre
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Reden Apple es reicht! (Autor unbekannt)

Beim iPad geht es nur noch ums Angeben, mit dem iPhone 4 kann man nicht mal
richtig telefonieren: Es reicht mit Apple, findet Hajo Schumacher. Was einst
lässig, gegenkulturell, ästhetisch war - das ist heute nur noch uncool. Und
zwar nicht erst seit dem Abgang von Steve Jobs.

Neulich schnürte wieder mal ein Abgeordneter fortgeschrittenen Alters heran,
zog ein ledernes Etui von der Größe eines Landser-Heftes hervor und raunte
verschwörerisch: "Ich hab' jetzt auch eins." Die korrekte Antwort hätte lauten
müssen: "Na und?" Aber die Höflichkeit heuchelte: "Toll." Wer ein Apple-Produkt
erworben hat, fühlt sich einem feinen Club zugehörig - und will das offenbar
allen mitteilen.
Derzeit entwickelt das iPad eine gesellschaftliche Symbolkraft wie einst
Farbfernseher oder Inline-Skates. Der Triumphschrei lautet: Ich hab's drauf!
Ich bin vorn! Und leisten kann ich's mir auch!

Im Bundestag verteilt inzwischen mehr als die Hälfte der Abgeordneten ihr
Fingerfett über den Touchscreen. Wobei es nicht darum geht, Informationen zu
beschaffen oder gar zu arbeiten. Nein, es ist nur dieser Moment, wenn die
Aktentasche geöffnet, das Objekt der Verschmierung herausgeholt und dem Rest
der Welt gezeigt wird: Hier ist ihr gefühlter Mittelpunkt. iPadding macht im
Fernsehen weit mehr her als Blättern im Leitz-Ordner. Wie bei Pulsuhr, Rotwein
oder Handtaschen geht es nicht um Funktion, Nutzen oder Geschmack, sondern ums
Angeben. Das iPad ist der Manta des 21. Jahrhunderts, bald vielleicht mit
Fuchsschwanz-App.

Manche fassen jenes Alu-Dings, das nicht mal Flash kann, tatsächlich noch
ehrfurchtsvoll an. Es befreit seinen Besitzer von digitalen
Minderwertigkeitskomplexen. Kein Seminar, keine Tagung, keine Bahnfahrt, auf
der nicht jemand superwichtig das iPad-Futteral aufklappt.

Und das ist merkwürdig, denn auf dem iPad kann man nicht richtig schreiben, nur
schwerlich telefonieren und muss für den Internetzugang unterwegs einen
weiteren Mobilfunkvertrag abschließen.

Apple ist wie Sushi
Der ökonomische Siegeszug von iPad und iPhone geht mit einem schrecklichen
emotionalen Niedergang einher, wie ihn zuvor Bionade, Latte Macchiato und
Joschka Fischer erlebt haben. Ein ursprünglich angenehm anderes Etwas, das
seinen Anhängern ein Robin-Hood-Gefühl gab, ist durch seine Vermassung entleert
worden. Was früher cool war, wird zum Inbegriff des Uncoolen. Was jeder hat,
taugt nicht länger zum Abgrenzen. Das wertvollste Unternehmen der Welt
produziert, was alle wertvollsten Unternehmen produziert haben: seelenlosen
Krempel. Apple ist wie Sushi - einst exklusiv, heute Arschgeweih.
Früher, als alles besser war, galt Apples Mac als gut gestaltetes
Handwerksgerät für Grafikdesigner. Apple, das war Protest gegen das Reich des
Bösen in Gestalt von Bill Gates. Die sparsam von Designern wie Dieter Rams
(Braun) oder Hartmut Esslinger (Frog Design) gestalteten Geräte machten die
Marke zu einem Statement, kombinierten Funktionalität mit einem Gefühl
kalifornischer Liberalität.
Wie heute die Fans des FC St. Pauli wärmten sich Mac-User am Wir-Gefühl. Der
ewige Hippie Steve Jobs war der kumpelige Gegenentwurf zum überehrgeizigen
Autisten Gates. Für das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, zahlte man
gerne mehr; die stolzen Mac-Preise waren immer auch eine Art Spende. Dass das
Unternehmen aus dem Silicon Valley in den Neunzigern am Rande der Pleite stand,
passte perfekt.
Ein Masterplan wurde offensichtlich
Apples gewaltige Erfolgsgeschichte begann erst mit dem iPod. Selbst Skeptiker
mussten eingestehen, dass es einiger Marketing-Brillanz bedurfte, einen
Pfennigartikel wie den MP3-Player in ein unverschämt teures Luxusgut zu
verwandeln. Mit dem iPod einher ging der Siegeszug von iTunes. Ein Masterplan
wurde offensichtlich: Die Kunden sollten ihr Geld ausschließlich in der
abgeschotteten Mac-Welt ausgeben.
Wertschöpfungskreislauf, Freiheitsberaubung und Datensaugen sind bei Apple
längst eins. Möglich, dass Google ein Krake ist. Aber Apple ist schlimmer. Eine
Zensurstelle vorm App-Store entscheidet ohne demokratisches Mandat darüber,
welche Inhalte verbreitet werden. Was bei jedem Multi zum Skandal reichen
würde, gleitet an Apple ab. Kaum ein deutscher Verlag, der nicht vor Apple
kuschen würde, weil die Herren der Apps den Zugang zum Erlöskanal der Zukunft
monopolistisch verwalten.
In der Beziehung zwischen Mensch und Mac krachte es zum ersten Mal, als das
iPhone 4 kam. Wie gewohnt hatte das Mac-hörige Medien-Kollektiv kostenfrei die
Werbung übernommen. Der Autor dieser Zeilen natürlich auch. Wie bei jedem
Apple-Produkt wurde der Launch zum Weltereignis emporgejubelt. Was unterging:
Das iPhone 4 ist seit C-Netz-Zeiten das erste Handy, mit dem ich nur
eingeschränkt telefonieren kann. Jedes zweite Gespräch reißt ab. Besonders
bizarr wird die Kommunikation, wenn zwei iPhone-Nutzer versuchen, miteinander
zu telefonieren. Der Einsatz von Brieftauben würde eine solche Unterhaltung
beschleunigen. Steve Jobs erklärte , dass nicht das Telefon ein Problem habe,
sondern seine Benutzer, weil sie das Wundergerät falsch anfassen.

Religionsgemeinschaft, weitab jeder Rationalität
Allenthalben wird gegen Firmen geklagt, deren Produkte nicht tun, was sie
sollen. Apple dagegen verfügt über unzählige militante Fans, die jedem Kritiker
barsch mitteilen, dass er nur zu blöd sei. Was früher Ron L. Hubbard und
Scientology waren, sind heute Apple und seine Kunden. Eine
Religionsgemeinschaft, weitab jeder Rationalität. Die Schlangen, die früher vor
dem Petersdom standen, bilden sich heute vorm Mac-Shop.
Was mit dem iPhone 4 begann, hat inzwischen alle Produkte erfasst. Sie laufen
miteinander nicht mehr ruckelfrei, schon gar nicht verschiedene Generationen.
Zum Beispiel iCal, der Mac-Kalender. Die Aufgabenstellung lautet: Vier Menschen
wollen einen gemeinsamen Kalender führen, Updates automatisch idealerweise nach
jedem neuen Eintrag, angeschlossen sind Rechner, Handy, iPad.

Zum Glück gibt es Stefan. "Kein Problem", sagt er, "das machen wir mit der
Wolke". Mit 30 Wochenstunden Power-Resetten kommt er bestens über die Runden.
Er ist freischaffender Techniker, Therapeut und Wucherer. Sein erster
Standardsatz ("Das kriegen wir ganz schnell hin"), stimmt leider nie. Weil
Stefans zweiter Standardsatz lautet: "Wir müssen resetten." Alle Geräte müssen
zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein, werden auf Null gesetzt, um dann die
gleiche neue Software-Version zu erhalten - ein beträchtlicher logistischer
Aufwand, der das genaue Gegenteil von mobiler Kommunikation bedeutet: immobiles
Schweigen.

Und jedes Mal das gleiche Spiel: viel Aufwand, viel Zeit, viel Hoffnung. Und am
Ende Enttäuschung. Mal ist der komplette Kalender zerschossen, aber nur auf
einem Rechner, dann auf allen iPhones. Dafür sind jetzt alle Telefonnummern
zwölffach in der Adressverwaltung, und die Suche dauert wegen der Datenmenge
ewig. "Ist doch super", sagt Stefan erleichtert, "wenigstens sind die Nummern
noch da." Nächste Woche resetten wir noch mal von vorn.

Ein iPad benutzt Stefan übrigens nicht. "Wozu?" Gute Frage. Das Glück liegt im
Reduzieren. Wenn alle Porsche fahren, wird der Golf wieder interessant. Der
funktioniert jedenfalls. Und es bleibt nicht dieses dumpfe Gefühl von Beschiss,
weil man kreuz und quer durch die Stadt rennt, um irgendwo das Exoten-Programm
"Keynote" aufzutreiben, das sich trotz dreimaligen Anrufs bei der Hotline nicht
installieren lässt, weil zunächst die Probeversion komplett vom Rechner
gelöscht werden muss, was aber auch nicht klappt. Und wie bekommt man
eigentlich eine Installations-CD ins iPad, das weder über Laufwerk noch
USB-Anschluss verfügt? App kaufen, Dummerchen. Aber wieso? Gerade erst wurde
das Programm auf CD erworben. Egal. Trotzdem App kaufen.

Langsam wird klar, warum die Börse Apple-Aktien so liebt. Hier läuft ein für
die Ewigkeit angelegtes Kettenbriefspiel ab, das mitmachen muss, wer sich vorn
fühlen will. Apple ist eine Droge, und alle sind druff. Fast alle. Gestern die
alte Nokia-Stulle aus der Schublade gesucht. Endlich wieder telefonieren. Gibt
es ein Leben ohne Apple? Wir werden es ausprobieren.

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Der Autor ist mir unbekannt, aber ich finde den Text einfach nur genial.
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"Es bootet sofort, hat eine hoch auflösendes Display und verbraucht im Betrieb keine Energie"
- Joe Jacobsen, Wissenschaftler (über das Buch)



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